Dienstag, 4. Januar 2011

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schoenste im ganzen Land? =)

Bevor wir nach Indien kamen war uns ja schon irgendwie klar, dass Schoenheit hier eine etwas andere Bedeutung hat als in Europa, aber wie anders, darueber waren wir uns wirklich nicht bewusst. Alles faengt an bei so offensichtlichen Dingen wie Kleidung. Besonders hier, im etwas traditionelleren Sueden, traegt so gut wie jede Frau Sari oder Salwar (also Stoffhose mit einer Art Tunika-Oberteil und Schal - unabhaengig davon, wie warm es ist =)). Jeans und T-Shirts sieht man ausserhalb der etwas groesseren Staedte so gut wie nie an Frauen, aber auch in vielen Staedten ist die westliche Kleidung eher ungewoehnlich.


Frau im Sari
 
fast alle Frauen der Selbsthilfe Gruppe tragen Sari



Die meisten Maedchen und jungen, unverheirateten Frauen tragen Salwars (Salwar Kameez), nach der Hochzeit jedoch verlangen viele Ehemaenner, dass ihre Frauen Saris tragen. Und wo wir schon beim Thema Heirat sind, koennen wir auch gleich beim Schmuck weiter machen. Schmuck und Hochzeit haben naemlich erstaunlich viel miteinander zu tun, aber dazu spaeter mehr =).
Schmuck gibt es hier in Indien in nur allen erdenklichen Formen, aber es sollte dann schon alles Goldschmuck (je kitschiger, desto besser=)) sein - mit drei Ausnahmen.
Schon die Babys bekommen hier Fusskettchen, eine der Ausnahmen, denn diese bestehen eigentlich immer aus Silber oder einem aehnlich aussehenden Metall. Wenn die Kinder etwas aelter werden, kommen dann bei den Maedchen noch die Bangles (Armreife) dazu... und da haben wir auch schon die zweite Ausnahme, denn Bangles gibt es in jeder Farbe und aus jedem Material: Plastik, Glas, Holz, Metall, Leder, Gold, Silber ... und quer durch alle Farben des Regenbogens.

Teile unserer Bangles Sammlung


Aber den eigentlichen Schmuck traegt ein junges Maedchen normalerweise erst ab ihrer ersten Periode. Dabei wird eine extra "function", also eine Art Fest, fuer das Maedchen veranstaltet. Zuerst muss sie drei Tage im Haus bleiben und soll in dieser Zeit keine Maenner sehen. In diesen Tagen bekommt sie spezielles Essen und Kraeuter gegen die Schmerzen/Kraempfe. Am Abend des dritten Tages kommen dann alle weiblichen Verwandten und baden das Maedchen. Danach gibt es Geschenke, die die neue Weiblichkeit unterstreichen sollen: Neue Kleider, Schmuck, Bindis, Nagellack, Make-Up und Suessigkeiten. Ab diesem Fest tragen die jungen Frauen normalerweise Schmuck. Ohrringe, Halsketten, Fingerringe, Armkettchen, Nasenstecker und nach der Hochzeit kommen dann auch noch silberne Zehenringe (dritte Ausnahme) und das beruehmte "yellow rope" dazu. "yellow rope" ist tatsaechlich eine gelbe Schnur, die wie eine Kette getragen wird. Sie kann auch durch eine spezielle Goldkette ersetzt werden, aber dass koennen sich natuerlich nur die reicheren Leute leisten. Zusammen mit den Zehenringen zeigt das "yellow rope" im hinduistischen Glauben, dass eine Frau verheiratet ist.
Goldschmuck gehoert hier zum guten Ansehen dazu. Es zeigt, dass man aus einer guten Familie kommt bzw. sich Goldschmuck leisten kann und traegt viel zum Ansehen der Frau bei.
Beim Schmuck darf man die Bindis natuerlich auch nicht vergessen. Heute sind Bindis meistens nur zu Schoenheitszwecken da, aber oft haben sie noch eine urspruengliche religioese Bedeutung.


Aber was fuer die Schoenheit der Frau noch wichtiger ist als ihr Schmuck und ihre Kleider, sind ihre Haare und ihre Haut. Die Haare sollten erstens so lang wie moegich, so schwarz wie moeglich und so "shiny" (glaenzend) wie moeglich sein. Haarprodukte gibt es hier, aehnlich wie in Deutschland, in jeder nur erdenklichen Form.
Was aber anders ist als in Deutschland ist das Haaroel (zu einem Grossteil bestehend aus Kokosnussoel und Jasminoel). Viele indische Frauen oelen sich die Haare ein und lassen das Oel drei Tage lang im Haar - bis zum naechsten Bad also =). Danach wird wieder geoelt. Die etwas modernere Methode ist, das Oel ueber Nacht in den Haaren verteilt zu haben und es am naechsten Morgen auszuwaschen. Ob ihr es glaubt oder nicht, das Oel tut fantastische Dinge fuer die Haare: Sie sind weich und glaenzen schoen; sie sehen gesund aus und lassen sich prima kaemmen. Wir haben naemlich inzwischen auch damit angefangen, uns die Haare zu oelen (aber nur die Ueber-Nacht-Variante ;-)).



frueh am Morgen mit reichlich Haaroel auf dem Kopf ;-)

Ganz wichtig sind natuerlich auch die Blumen im Haar. Tamilische Frauen tragen ihr Haar meistens im geflochtenen Zopf (nicht wenige kommen erstaunlicherweise ohne Haargummi aus) und irgendwo sind dann Blumen im Haar befestigt. Von Rosen ueber kleine Wildblumen zu Hibiskusblueten und Gerbera aber vorallem sieht man die typische Jasmin-Bluetenkette.


die Jasminkette in aussergewoehnlicher Groesse

Gerbera

eine wunderschoene Hibiskusbluete

Wenn man in Deutschland im Drogeriemarkt in die Kosmetikabteilung gelangt, findet man dort unendlich viele Produkte, die eine schoene, gleichmaessige, knackige Braeune versprechen. Doch wo in Deutschland Selbstbraeuner & Co im Regal stehen, findet man in Indien "whitening cream" und Lotionen, Cremes und Peelings fuer hellere Haut. Je heller die Haut, desto schoener, lautet die Devise. Aber genau wie in Europa hat auch hier diejenige die "besten Chancen", die am schlankesten ist. Nach der Hochzeit nimmt man bitteschoen wenigstens ein bisschen zu, man muss ja zeigen, dass der Ehemann einen mit genug Essen versorgt =).
Und da wir gerade bei den Maennern sind, koennen wir mit deren Mode gleich weitermachen. Jeans und T-Shirt sind zwar okay, schicklicher ist jedoch Hemd und Stoffhose. Hier gilt das Gleiche wie bei den Frauen - je weiter man sich von den Grossstaedten entfernt, desto seltener sieht man typisch westliche Kleidung. Was auch noch eine Alternative ist, ist der Lungi, eine Art Wickelrock fuer Maenner, der entweder boden- oder knielang getragen wird. Eigentlich ist der Lungi "home wear" (wird also wie ein Jogginganzug eher zu Hause getragen), aber besonders in den Doerfern sieht man ihn ueberall auf den Strassen.



Beide Maenner tragen die Lungis lang
 
und hier werden beide kurz, hochgekrempelt getragen

Was einen Mann in den Augen der meisten indischen Frauen attraktiver macht und was wir beide eher lustig finden, ist der Bart. Vorallem Schnauzer und andere Oberlippenbaerte sind hier superbeliebt. Der Bart steht fuer das Maennliche und Starke, fuer den Held und Beschuetzer und die tamilischen Maedels stehen total darauf  =).

Auch wenn hier vieles ziemlich anders ist, haben wir uns inzwischen total daran gewoehnt.Wir schauen nicht mehr irritiert, wenn wir kleine Kinder mit schwarzen Punkten (meistens zwei; einen auf der Stirn und einen auf der Wange) im Gesicht sehen (macht die Babys "haesslich", sodass Teufel und Daemonen die Finger von den Kindern lassen) und sind dafuer umso "geschockter", wenn wir Frauen in kurzen Roecken oder Tops mit weiterem Ausschnitt sehen ;-).



...zumindest einen Punkt auf der Stirn hat das Baby ;-)

 Ein tolles neues Jahr 2011 wuenschen wir euch Allen!
Alles Liebe
Claudia und Anna



Maedchen in Schuluniform + akkuraten , geflochtenen Zoepfen

Henna spielt natuerlich auch eine bedeutende Rolle =)

4 Kommentare:

  1. Liebe Anna,
    liebe Claudia,
    einen sehr schönen Blog habt ihr da geschrieben. Er vermittelt ein sehr lebendiges Bild vom indischen Schönheitsideal! Oft musste ich sehr schmunzeln, denn während meiner Zeit in Indien kamen all diese Fragen doch auch immer auf: Was soll das mit dem Haaröl? Warum tragen so viele Männer einen so lustigen Schnauzer? und vorallendingen warum tragen sie nur ein Handtuch um die Hüfte :) Aber schneel gewöhnt man sich an den neuen Style und nimmt ihn sogar für sich selbst auf! Aber das kennt ihr wahrscheinlich selbst schon sehr gut :)
    Ich grüße euch ganz lieb aus dem kalten und verschneiten (wobei langsam wirds ekelig) Deutschland!
    Corinna

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  2. Hallo ihr beiden,

    ich bin begeistert : ).
    Hach das ist einfach göttlich was da unten bei euch in Indien so passiert.
    Opferst du denn dann auch deine Haare irgendwann in einem der vielen Tempel, Clau? Habe da mal eine interessante Reportage gesehen.
    Alles, alles Liebe für 2011 an euch beide!

    Schreibt doch mal was darüber, wie ihr als "weiße" dort bei den Männern ankommt ; )?
    Das wäre schon mal interessant.

    Katrin

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  3. Suuuuuuper, euer letzter Blog-Eintrag: Gut geschrieben, informativ und ausgewogen und man spürt, wie differenziert ihr inzwischen eure Umgebung und die Menschen dort warnehmt. Ich hab außerdem auch wieder was dazu gelernt.
    Ich freu mich, euch im KKID zu sehen!

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  4. Danke fuer euer tolles Feedback =)!
    Blog schreiben macht nochmal mehr Spass, wenn man solche Reaktionen bekommt =)

    sonnige Gruesse!
    Claudia und Anna

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