Samstag, 18. Dezember 2010

Pondicherry- eine Stadt, zwei Welten

Erwaehnen tun wir Pondicherry nahezu in jedem fuenften Satz- wahrscheinlich sogar noch oefter, aber eigentlich haben wir noch kaum etwas ueber die Stadt an sich geschrieben. Zunaechst einmal Allgemeines. Pondicherry (auch Puducherry) hat ca. 230 000 Einwohner und liegt ca. 150 km suedlich von Chennai (Madras) an der Kueste. Wie der Name schon impliziert, kam Pondi Mitte des 18. Jahrhunderts in franzoesischen Besitz und fiel erst 1954 wieder an Indien. Noch heute teilt ein Kanal die Stadt in ein franzoesisches (oestliches, an der Kueste liegendes) Stadtviertel und einen typisch indischen (groesseren) Stadtteil.

 
der Kanal
 
Im franzoesischen Viertel sieht man an ein paar Stellen Schilder, die das Hupen verbieten und auch so muss man sich manchmal vor Augen fuehren, dass man sich immernoch in Indien befindet, die Strassen eigentlich ueberfuellter, lauter, staubiger etc. sein muessten.






im Park,
der auch im franzoesischen Viertel liegt




in der Mitte des Parks


christliche Kirche im romanischen Stil
  
franzoesische Strassenschilder
 findet man in diesem Viertel ueberall

der alte Leuchtturm von Pondicherry



sehr gefaehrliche Kreuzung am Kanal


Natuerlich ist es nicht so, dass sich im franzoesischen Viertel gar keine Inder aufhalten bzw. leben; hier werden einem jedoch viel oefter als in anderen Teilen der Stadt oder gar anderen indischen Staedten "Weisse" begegnen.




ein Junge, der kleine Saeckchen und Taeschchen verkauft

Wachmaenner vor einem franzoesischen Lycee


Wie wir geniessen viele andere dort die Atmosphaere und haben dort die Moeglichkeit- wie sie an nur wenigen weiteren indischen Orten besteht- ein franzoesisches Restaurant zu besuchen oder aber auch italienisch zu schlemmen- und letzteres vor allem nicht nur bei Pizza Hut oder Domino's Pizza. Das Ganze wurde uns so richtig bewusst, als uns Katja und Charlotte (Freiwillige von Coimbatore, die bei NMCT arbeiten) letztes Wochenende (11.und 12.12.) besucht haben.Die beiden waren begeistert vom schoenen Pondi (nicht nur vom frz. Viertel =)) und wir haben es uns zwei Tage lang, was das Essen anbelangt, sehr, sehr gut gehen lassen. Fuer uns zwei war es auch eine Abwechslung, da wir normalerweise immer sehr gut indisch bekocht werden von Alphones' Mutter (wie wir in vorherigen Blogeintraegen bereits erwaehnt haben). Ein paar europaeische Essensgelueste kamen nach nun drei Monaten Indienaufenthalt schon auf, aber diese wurden nun letztes Wochenende vorerst befriedigt =). Neben der Steinofenpizza auf einer wunderschoenen Dachterrasse war das Fruehstueck in einem (natuerlich franzoesischem ;-)) Cafe ein absolutes Highlight: Leckere Croissants, Omelett, Baguette mit Butter und Marmelade aber auch Crepe-Liebhaber kommen nicht zu kurz. An die hier Lesenden, die wahrscheinlich gerade schmunzeln, sei gesagt: Wir fruestuecken normalerweise immer typisch indisch, sodass es indische Spezialitaeten wie Idli, Chapati und Dosa gibt, aber auch unterschiedlich zubereitete Nudeln bis hin zu suessem Cous-cous (also alles warme Mahlzeiten)...da freut man sich dann um einiges mehr, dass man mitten in Indien ein franzoesisches Croissant oder Aehnliches geniessen kann ;-)...auch wenn das indische Essen echt superlecker ist.


mhhhh... lecker! =)





 Charlotte und Katja waren sogar so angetan, dass sie sich Montag morgens vor ihrer Abreise Baguette aus der "French Bakery" gekauft haben =). Uns wurde dadurch bewusst, dass wir wohl doch einen ziemlichen Luxus hier in Pondi haben und werden vielleicht nun an dem einen oder anderen Sonntag, wenn wir das Wochenende ueber in Pondi sind, der franzoesischen Baeckerei einen Besuch abstatten, wenn uns wieder danach ist.
Man kann also bestimmt herauslesen, dass wir sehr gluecklich sind, in Pondicherry und Umgebung gelandet zu sein :). Den Mix zwischen Dorf (Kattumannarkoil) und Stadtleben (Pondicherry) finden wir auch ziemlich gut. Durch unser Leben unter der Woche in Kattumannarkoil koennen wir noch so viel mehr Facetten Indiens erleben, denn teilweise unterscheidet sich das Leben auf dem Land und in der Stadt wie Tag und Nacht. Zwar liegt unser Apartment in Pondi in einem 100 % indischem Wohnviertel, aber da liegt manchmal ein grosser Unterschied zu einem indischen Dorf, was Lebenssituation, Entwicklungsstand und die Einstellung zu "Weissen" (in der Stadt ist man eher an "Weisse" gewoehnt und wird nicht ganz so neugierig beaeugt und angestarrt wie von Dorfbewohnern) anbelangt.



das staatliche Krankenhaus



In der Haupteinkaufsstrasse Pondis, der Nehru Street




Gandhi ist ueberall praesent

eine der vielen Statuen in Pondi
  



rechts im ersten Stock befindet sich unser Apartment =)


Nun zum Schluss moechten wir noch auf die Weihnachtsstimmung hier eingehen. Es ist schwierig, hier in Weihnachtslaune zu kommen, da dieses Fest zugegebenermassen bei Hindus nicht allzu praesent ist ;). Weihnachtsmarkt, Weihnachtseinkaeufe in dekorierten Einkaufszentren, Plaetzchen backen und Adventskalender fallen fuer uns dieses Jahr flach. Wie schon oft erwaehnt ist das Wetter hier (Temperatur 25- 32 Grad Celsius) auch nicht gerade winterlich-weihnachtlich...wobei wir natuerlich auch nicht unbedingt kaltes Deutschlandwetter haben wollen; wir wissen die milden Temperaturen sehr zu schaetzen und wenn der Regen ausbleibt- umso besser :-).
Es ist nur schwer zu glauben, dass Weihnachten schon fast vor der Tuer steht. In unserem Supermarkt haben wir aber nun Weihnachtsdeko entdeckt und vor dessen Tuer steht nun auch ein Weihnachtsmann. Alphones' Mutter hat auch einen kleinen, geschmueckten Weihnachtsbaum. Wir haben ihn an einem Nachmittag entdeckt, als wir sie wegen etwas gefragt haben. Ein Gefuehl von Heimat und Waerme kam auf, als wir den mit Lichterketten und Weihnachtsschmuck dekorierten Christbaum erblickt haben- obwohl das Thermometer fast 30 Grad anzeigte und der Lichterketteneffekt nachmittags noch nicht so zur Geltung kam =)...

Die Tage um Weihnachten werden wir mit den anderen KKS-Freiwilligen in Bangalore verbringen. Wir freuen uns sehr darauf und spaetestens dann wird irgendwie Weihnachtsstimmung aufkommen- puenktlich zu Weihnachten :-)!

Wir wuenschen euch allen frohe Weihnachten und dann auch gleich ein frohes, erfolgreiches Jahr 2011!

Anna und Claudia





Dienstag, 7. Dezember 2010

Regenzeit

Seit ueber zwei Wochen faellt hier nun schon der Regen herunter- in Kattumannarkoil noch staerker als in Pondicherry. Ab Mitte Oktober faengt hier, in unserer Region, an der Suedostkueste Indiens, der sogenannte Nordostmonsun an. Anfangs hat es nur hin und wieder mal geregnet, der Regen hat schnell wieder aufgehoert und hat keine Abkuehlung im heissen Pondi oder aber auch in Kattumannarkoil gebracht...das hat sich nun geaendert, wie so Vieles.
Neben unseren Salwars tragen wir nun auch teilweise unsere Fleecejacken aus Deutschland. Das war zugegebenermassen ein komisches Gefuehl, zum ersten Mal hier in Indien wirklich zu frieren ;-).
Unsere nassen, frisch gewaschenen Klamotten haengen wir nun alle im Apartment in Pondi auf Stuehlen und Co. auf. Das stellt eine ziemliche Herausforderung dar, wenn zwei Personen ihre Waesche von mehreren Tagen gleichzeitig irgendwo aufhaengen wollen =)- und im besten Fall soll nach zwei Tagen bitteschoen auch alles trocken sein ;). Wir waschen die meisten Sachen immer in Pondicherry, weil wir hier eben aufhaengen koennen...aber der Regen macht uns da das Leben schwer ;).
Eine weitere Begleiterscheinung in den letzten Wochen ist die erhoehte Luftfeuchtigkeit. Wo die Klamotten vor der Regenzeit schon nach einem halben Tag an der Waescheleine in der Sonne trocken waren, dauert es nun um einiges laenger.
Der Regen hat aber auch andere, viel signifikantere und schlimmere Folgen. Als wir letzte Woche Montag (29.11.) wie so oft von Pondi nach Kattumannarkoil aufgebrochen sind, konnten wir uns ein Bild davon machen. Lehmhuetten, die meist niedriger situiert sind als die Strasse, waren geflutet; die Menschen standen knietief im Wasser- manchmal sogar viel hoeher; wir sind an einem Anhaenger vorbeigefahren, der Hilfsgueter an die Betroffenen verteilt hat; wir haben das Auto eines Ministers gesehen, der die Krisengebiete anlaesslich der schweren Regenfaelle besucht hat. Nun, gut eine Woche spaeter, haben wir einen report ueber die schweren Niederschlaege und Ueberflutungen in der Kattumannarkoil- Region (25 Doerfer) geschrieben. Die starken Regenfaelle hier sind in ganz Indien Thema; "The Hindu" (eine der groessten indischen Zeitungen) schreibt auch darueber und die Flut hat hier im Cuddalore-Distrikt auch schon einige Todesopfer gefordert. Die Schulkinder haben schon seit einigen Tagen frei, da die Regierung den Unterricht ausgesetzt hat. Die Hausaufgabenbetreuung gegen Abend findet dennoch statt, aber wenn es regnet, ist sie auch nicht so gut besucht...


der Monsun hinterlaesst seine Spuren





ein Blick auf den Hinterhof


Das war nun das Aktuelle, aber wir moechten nun trotzdem noch auf gluecklichere Momente eingehen, die wir in den letzten Wochen erleben durften.
Trotz des unaufhoerlichen Regens morgens in Kattumannarkoil, sind wir mit Priya in der Motrorrikscha ca. eine Dreiviertelstunde durch die Pampa gefahren, um eine Sitzung des collectors (Verantwortlicher fuer den Distrikt...vielleicht mit dem deutschen Kreisrat vergleichbar ;)?!) mit Bewohnern aus der Region nicht zu verpassen. Als wir dort ankamen, standen bereits sehr viele Menschen draussen auf dem Hof und im ersten Moment dachten wir: "Warum findet die Sitzung bei Regen draussen statt und nicht im Gebaeude?!"...Die Sitzung fand jedoch drinnen statt, was der Grund war, warum wir uns durch die Menschenmenge gedraengt haben- wir haben es sogar gut ueberstanden und zu aller Absurditaet wurden dann noch drei Stuehle fuer uns hergezaubert- fuer die German volunteers und Priya ;-). Eine Weile haben wir die Sitzung beobachtet, in welcher einige Bewohner der Region- unter ihnen bspw. auch ein Arzt- dem collector ihre Anliegen ueber das Mikro mitgeteilt haben. Der collector hat das Ganze am Ende dann ziemlich kurz und knapp kommentiert und bekam einen Brief von der jeweiligen Person, sodass er die Anliegen und Beschwerden nochmal Schwarz auf Weiss hatte.
Schliesslich waren wir dran. Priya hat ihre Anliegen bezueglich der Schulgebaeude und -situation mitgeteilt und wir zwei durften dem collector den Brief ueberreichen und einen Schal umlegen (der Schal ist quasi eine Art Ehrbekundung). Die regionale Zeitung war sogar auch da. Das Foto, das von uns gemacht wurde, war am darauffolgenden Tag zwar nicht in der Zeitung, aber unsere Namen wurden in tamilscher Schrift erwaehnt =). Darauf sind wir dann doch ein bisschen stolz :)...wer kann schon sagen, dass er in einer indischen (wenn auch nicht allzu bekannten) Zeitung steht :)?!

In einer Woche fand auch jeden Tag das "Street Theatre Programme" statt. Nachmittags sind wir dazu immer mit ein paar REAL-Mitarbeitern und anderen mitwirkenden Personen auf einem Anhaenger (unser grosses Taxi :)) in mehrere Doerfer gefahren. Die Lehrer von REAL haben ihre Schueler bereits im Vorraus ueber das Stattfinden des Programmes informiert und schliesslich wurde bei jeder Ankunft ein bisschen Musik gemacht, wodurch nochmal viele, viele Dorfbewohner zusaetzlich angelockt wurden. In einem Dorf wurden wir ueberraschenderweise gefragt, ob wir Musik haetten...so kam es, dass Clueso in einem indischen Dorf abgespielt wurde ;-). Das Theatre Programme hat dem Namen zufolge natuerlich ein Theaterstueck beinhaltet, aber auch traditionelle Taneze und Lieder- wir waren ziemlich beeindruckt und fanden es wirklich unterhaltsam. Das Theaterstueck hat ganz viele Themen behandelt. Der Vater im Stueck hatte Alkoholprobleme und wollte seine Tochter zur Arbeit schicken, da die Familie schon so ziemlich arm ist und der Vater Geld fuer seinen teuren Alkohol braucht. Neben der Kinderarbeit (die unter Strafe steht und eigentlich mehrere Jahre Gefaengnis fuer die Eltern bedeutet, wenn etwas herauskommt), wird aber auch die Heirat Minderjaehriger, die Bedeutung von Bildung, die maennliche Dominanz in der Familie und die Bevorzugung von Jungs thematisiert. Das Theaterstueck hat schliesslich aber ein gutes Ende, da die Familie Hilfe von einem Mitarbeiter einer Organisation erhaelt =).
Wir fanden die vier Tage, an denen wir mit dabei waren, wirklich toll. Vor allem als eine Mutter an einem Abend zu Priya kam und ihr mitteilte, wie schoen sie das Theaterstueck fand und dass sie ihre Kinder nun auf jeden Fall die Schule bis zur 12. Klasse besuchen lassen will- da weiss man dann, dass etwas in den Koepfen der Menschen mit so einem "kleinen" Theaterstueck bewegt wurde!


das Theaterteam



Ehrenplaetze... wie immer eben ;-)



aufmerksames Publikum beim street theatre play



nicht nur Schueler und Familien schauen zu =)



Dorfbewohner ueberall ... selbst auf den Daechern




indisches Tanzen

REAL-Staff tanzt




die Fahrten zu den Doerfern erfolgte auf dem Anhaenger =)



Am 2. und 3. Dezember haben wir ausserdem ein "training programme" in Chennai besucht. Zu dieser Fortbildung wurden neben ein paar REAL-Mitarbeitern auch Personen anderer Organisationen wie NMCT und Good Shepherd (Organisationen, zu denen die Karl-Kuebel-Stiftung auch Freiwillige entsendet hat) eingeladen. Das Training hatte vor allem interaktive Lehrmethoden als Schwerpunkt. Leider haben wir die Thematisierung davon verpasst, da wir erst die letzten anderthalb Tage des Seminars dazustiessen. Am letzten Tag wurde auf das Thema Kinderrechte ausfuehrlich eingegangen- was sind eigentlich Rechte, was zaehlt zu Missbrauch, Vernachlaessigung, Ausbeutung, Gewalt etc.. Es wurde sogar auf die UN-Konvention fuer Kinderrechte eingegangen und Fallstudien in Gruppen diskutiert, was wir wirklich gut fanden. Das Training fand zwar auf Tamil statt, aber die Trainerin hatte Powerpoint-Folien auf Englisch vorbereitet, was fuer uns natuerlich total super war zum Verstaendnis, und um zu verstehen, um was es ueberhaupt gerade geht. Wir beide haben uebrigens auch an den Gruppendiskussionen und -spielen teilgenommen und eine Person in der Gruppe hat dann fuer uns immer ein bisschen hin und her uebersetzt, worueber wir sehr dankbar waren =). Wir fanden es auch toll, auch einfach einmal nur Teilnehmer zu sein und es ging nicht darum (wie so oft, wenn wir ein Meeting oder Aehnliches besucht haben), uns vorzustellen etc., sodass das Treffen folglich durch uns unterbrochen wurde und es irgendiwe nur noch um uns "volunteers" ging.

...Und nun noch eine lustige Begebenheit zum Schluss :) : Am Donnerstag Abend (02.12.) sind alle Trainingsteilnehmer (also auch wir ;)) zu einem neu eroeffneten, wunderschoen beleuchteten Park gegangen. Nachdem wir mit Gethciya eine Weile durch den Park geschlendert sind, haben wir beschlossen, am Eingang auf die anderen zu warten und haben uns dort hingesetzt. Schliesslich kam eine Polizistin auf uns zu und teilte uns mit, dass wir bitte aufstehen sollten, da der Chief Minister in wenigen Minuten am Park ankommen wuerde. Der Chief Minister ist sozusagen der Ministerpraesident von Tamil Nadu. Und der besucht den Park genau an dem Abend, an dem wir in Chennai sind und zufaelligerweise auch gerade dort sind ?? Fuer uns unglaublich =). Bilder haben wir leider nicht viele, weil es uns die Polizisten verboten hatten (absurderweise wurde aber um uns herum fleissig geknipst ;)). Jedenfalls kam der Chief Minister mit seinem Rollstuhl aus dem Jeep und hat- umringt von einigen ihn verfolgenden Indern- eine kleine Runde im Park gedreht, eher er wieder wortlos ging. Wir haben ein Video hochgeladen, in welchem wir die unzaehligen, ihn begleitenden Autos filmen wollten. Das Video zeigt allerdings, dass wir das per Lautsprecher verboten bekamen ;)...

Viele liebe Gruesse ins kalte Deutschland,
Anna und Claudia

PS: Wir hoffen, ihr hattet alle einen schoenen Nikolaustag :)!!!


Staff-Training in Chennai





das Auto des Chief-Ministers vor dem Park




 
unsere besten Freunde - die Geckos =)


das Geburtstagskind Vijiya

 
die Tradition des "sich-gegenseitig-Kuchen-in-den-Mund-Stopfens"
 ... wir haben ja bereits davon berichtet =)